Der Urologe Univ.-Prof. Dr. Lukas Lusuardi erklärt im Interview, wie sich Spina bifida, die weitläufig als „offener Rücken“ bekannt ist, von der Kindheit bis ins Alter zeigt.
Prim. Univ.-Prof. Dr. Lukas Lusuardi
Universitätsklinikum für Urologie und Andrologie
Salzburger Landeskliniken
Foto: SALK
Welches Krankheitsbild steckt hinter Spina bifida, gerade im Hinblick auf urologische Fragen?
Spina bifida ist eine angeborene Missbildung der Wirbelsäule und somit automatisch auch der Nerven, die im Bereich der Wirbelsäule und des Rückenmarks vorhanden sind. Je nachdem wo sich die Läsion befindet, können die Auswirkungen von Spina bifida sowohl motorischer als auch neurologischer Natur sein. Außerdem kann Spina bifida Auswirkungen auf die Miktion, also die Blasenentleerung, sowie die Defäkation, den Stuhlgang, haben. Das bedeutet also, dass Patienten mit Spina bifida verschiedene Probleme in all diesen Bereichen haben können – je nachdem wo die Läsion bei der Geburt auftritt.
Wie geht es dann im Laufe des Lebens weiter?
Kinder werden gleich nach der Geburt in erfahrenen neurochirurgischen Zentren versorgt. Wie sich die Situation bei Menschen mit Spina bifida entwickelt, versteht man erst mit dem Heranwachsen. Davon hängt es auch ab, ob Entleerungsschwierigkeiten im Bereich der Blase oder des Darms Probleme bereiten und ob es weitere Spezialisten aus der Urologie, Proktologie oder der Pflege, und hier insbesondere der Stoma- oder Inkontinenzberatung, braucht.
Ergeben sich durch ein höheres Alter zusätzliche Probleme?
In der Regel ist es so, dass Patienten im Alter bereits einen gewissen Grad an Versorgung in ihrem Leben erfahren haben. Aber natürlich kann sich der Zustand aus mehreren Gründen im Alter verschlechtern. So kann es zum Beispiel sein, dass Patienten etwa im Bereich der Blasenentleerung gut versorgt waren, sich aber durch neu eingetretene Erkrankungen im Alter zusätzliche Probleme entwickeln. Oder wenn der Patient bislang in der Lage war, sich gut selbst zu katheterisieren, und im Alter dann auf Hilfe angewiesen ist.
Warum ist es wichtig, dass Patienten möglichst lange autonom sein können, gerade wenn es um das Thema Katheterisieren geht?
Die ideale Variante für unsere Patienten ist der aseptische intermittierende Selbstkatheterismus. Das bedeutet, sich täglich vier- bis sechsmal selbst zu katheterisieren. Wenn Patienten älter werden und aufgrund von zusätzlichen Erkrankungen oder aufgrund ihres kognitiven Zustandes nicht mehr in der Lage sind, das gut durchzuführen, suchen wir nach anderen Möglichkeiten. Aber solange das Selbstkatheterisieren autonom gut für Patienten funktioniert, ist das unser aktueller Goldstandard.