Trotz unterschiedlicher Erscheinungsbilder weisen rheumatisch-entzündliche Erkrankungen spezifische Gemeinsamkeiten auf. Dies erklärt Rheuma-Experte Stephan Kroesen im Interview.
Was ist charakteristisch für rheumatische Gelenkschmerzen?
Da unter dem Begriff Rheuma eine Vielzahl verschiedener Krankheiten mit unterschiedlichen Symptomen zusammengefasst wird, lässt sich nicht allgemein von rheumatischen Gelenkschmerzen sprechen. Aber es gibt Charakteristika, die auf entzündliche Krankheiten hinweisen: Schmerzen in Gelenken oder Wirbelsäule in der zweiten Nachthälfte oder am Morgen, die so stark sind, dass man aufwacht; Morgensteifigkeit, die mehr als eine halbe Stunde andauert; spontanes, nicht von einer erkennbaren Verletzung oder Erkrankung hervorgerufenes Auftreten. In diesem Fall sollte man so schnell wie möglich ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen und die Schmerzen z. B. mittels bildgebender Verfahren und Blutuntersuchungen abklären lassen. Bleiben die genannten Symptome unbehandelt, können sie zu – häufig irreversiblen – Schäden in den Gelenken führen.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Erscheinungsbild und Schmerzhaftigkeit?
Bei der Gestalt der Veränderung gibt es große Unterschiede zwischen einzelnen Krankheiten. Borreliose hat als Infektionskrankheit ein ähnliches Erscheinungsbild wie Gicht: Auch da ist das Gelenk knallrot, stark angeschwollen und heiß. Bei der rheumatoiden Arthritis ist der klinische Befund, sprich, das Erscheinungsbild des Gelenkes, weniger stark ausgeprägt: Das Gelenk ist meistens nur leicht rötlich geschwollen, aber dennoch sehr schmerzhaft.
Welche Möglichkeiten der medikamentösen Therapie gibt es?
Prinzipiell ist es so, dass bei einer rheumatisch-entzündlichen Erkrankung mit der Entzündung auch der Schmerz verschwindet. Eine zusätzliche Schmerztherapie ist im Regelfall nicht erforderlich. Das Mittel der Wahl für die Akut-Therapie ist Cortison. Das ist aber niemals eine Option für die langfristige Behandlung. Die Gabe erfolgt entsprechend einem Stufenschema nur so lange, bis sich der klinische Befund gebessert hat und eine genaue Diagnose vorliegt, der es erlaubt, sich für eine differenzierte Therapie zu entscheiden. Die Genauigkeit dieser Diagnose ist heute wichtiger denn je, da sie die langfristige medikamentöse Therapie bestimmt. Für diese stehen uns einerseits lang erprobte Medikamente, aber auch immer mehr Biologika mit neuartigen Wirkmechanismen und JAK-Inhibitoren, um die Entzündung und damit den Schmerz zu kontrollieren, zur Verfügung. Wir wissen, dass das Medikamente sind, die einen sehr großen Nutzen haben und auch über Jahre, zum Teil auch Jahrzehnte, gut vertragen werden können.
Was kann ich als Patient:in abseits der Medikation machen?
Bei übergewichtigen Patient:innen ist es ratsam, das Körpergewicht zu reduzieren. Das mindert die mechanische Belastung der Gelenke. Gleichzeitig stimuliert Fettgewebe die Entzündungsaktivität. Es empfiehlt sich auch aus diesem Grund, für ausreichend Bewegung zu sorgen und die Empfehlungen der Ernährungspyramide zu befolgen. Eine spezifische Diät für rheumatische Erkrankungen gibt es mit Ausnahme von Gicht nicht. Erwiesen ist allerdings, dass ungesättigte Fettsäuren entzündungshemmend wirken. Natürlich spielen auch physio-, psycho- und ergotherapeutische sowie sozialpädagogische Angebote eine wichtige Rolle, um im Zusammenspiel mit der medizinischen Behandlung für die Patient:innen eine hohe Lebensqualität sowie die Teilhabe am sozialen Leben und am Arbeitsmarkt sicherstellen zu können.
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