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Wenn Menschen an Demenz erkranken, geht vieles an eigener Identität verloren. Antonia Croy leitet die Selbsthilfegruppe Alzheimer Austria und erläutert im Interview, warum es wichtig ist, das Selbstwertgefühl von Betroffenen zu stärken.

Antonia Croy

Präsidentin Alzheimer Austria
Foto: Privat

Wie gestaltet sich nach Ihrer Erfahrung der Weg zu einer Demenzdiagnose in Österreich?

Es gibt verschiedene Erkrankungen, die eine Demenz hervorrufen können. Den größten Prozentsatz davon macht die Alzheimererkrankung aus. Obwohl sich die Diagnosesituation in den letzten Jahren verbessert hat, gibt es gerade bei älteren Betroffenen nach wie vor das große Hindernis, dass Anzeichen und Symptome einfach dem Alter zugeschrieben werden. Der Weg zur Diagnose ist mit mehreren Untersuchungen und verschiedenen Arztbesuchen verbunden. Es wäre optimal, wenn viele dieser Termine unter einem Dach stattfinden könnten – dazu gibt es bereits Ansätze. Abgesehen davon gibt es auch ein starkes Stadt-Land-Gefälle, da es abseits von größeren Städten viel schwieriger ist, Fachärzte zu finden. In ländlicheren Gebieten ist Demenz außerdem vielleicht noch mit einem größeren Stigma behaftet als in Städten, in denen Menschen anonymer leben. Man spricht ja schließlich nicht gerne darüber! Aber es gibt natürlich auch Menschen – und das sind zumeist jüngere Betroffene – die bereits erste Anzeichen abklären lassen. 

Als Präsidentin der Selbsthilfegruppe Alzheimer Austria wissen Sie um die Bedürfnisse, Ängste und Sorgen direkt Betroffener und deren Familien. Mit welchen Fragen kommen Menschen zu Ihnen?

Die Bedürfnisse von Betroffenen decken sich nicht unbedingt mit jenen von Angehörigen. Wir haben neben unseren Angehörigengruppen auch eine Betroffenengruppe. Wichtige Voraussetzung dafür ist, dass Menschen, die an einer Demenz leiden, nicht in dem Schema sind, in dem sie ihren Zustand leugnen, sondern sich ihrer Erkrankung bewusst sind. Wir sehen oftmals das Verleugnen der Erkrankung als Fassadenverhalten, um sich selbst zu schützen. Die Angehörigen, die zu uns kommen, erkundigen sich häufig über empfohlene Arztbesuche oder wollen das Problem der Diagnose abklären. Denn von der Diagnose hängt natürlich einiges ab. Ohne Diagnose können Betroffene keine Therapie und keine Medikamente erhalten. Auch finanzielle Unterstützungen, wie das Pflegegeld, und Entlastungsmöglichkeiten sind an eine entsprechende Diagnose geknüpft.

Abgesehen von der Diagnosestellung – welche anderen Themen besprechen Sie bei Alzheimer Austria noch?

Ein großes Thema ist das Zusammenleben mit einem Familienmitglied, das an einer Demenz leidet. Mit Fortschreiten der Erkrankung wird dies ja zunehmend schwieriger, da Betroffene unselbstständiger werden und Angehörige mehr Aufgaben mit übernehmen und erledigen müssen. Bei Alzheimer Austria gibt es verschiedene Angehörigengruppen, etwa für Partnerinnen beziehungsweise Partner sowie Söhne und Töchter. Je enger man mit einer an Demenz erkrankten Person zusammenlebt, desto schwieriger  wird es. Gerade am Anfang wissen viele oft nicht, wie man mit der Erkrankung am besten umgehen soll. Daher sind auch Themen wie Verhaltensänderungen wichtig zu besprechen. Menschen mit Demenz verlieren nach und nach kognitive und alltagspraktische Fähigkeiten, auch das Kurzzeitgedächtnis lässt nach und die Orientierung wird gestört. Es gibt Hunderte rechtliche, finanzielle und soziale Fragen. Für Angehörige ist es immer eine Gratwanderung, Betroffene einerseits Freiheit zu lassen und ihnen gleichzeitig Sicherheit zu geben. 

Was ist Ihnen persönlich im Umgang mit Menschen, die mit einer Alzheimererkrankung leben, besonders wichtig, und was raten Sie Angehörigen, die sich um einen an Demenz erkrankten Menschen kümmern? 

Mir ist wichtig, dass wir Verständnis für Menschen zeigen. Vieles an eigener Geschichte und eigener Identität geht durch die Demenz verloren. Wir können versuchen, uns in die Welt der Demenz hineinzuversetzen und Betroffene – trotz gestörter Kommunikation – zu verstehen. Es ist entscheidend, dass wir die Würde von Menschen mit einer Demenzerkrankung bewahren. Schließlich haben sie sich ihre Erkrankung ja nicht ausgesucht. Demenz bringt für Betroffene viel Verlust mit sich. Wir alle, die Betreuung anbieten, haben eine große Verantwortung für die Lebensqualität von Menschen mit Demenz. Es ist wichtig, dass wir Betroffene weiterhin als wertvolle Menschen sehen. Daher ist meine Botschaft an Angehörige immer: nicht diskutieren, streiten, argumentieren oder ständig ausbessern. Es ist das Ziel, das Selbstwertgefühl von erkrankten Personen zu erhalten. Ich erlebe es immer wieder, dass durch diese Wertschätzung Menschen richtig aufblühen!

Wie wichtig ist eine stärkere Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das Thema Demenz?

Die Sensibilisierung für Demenz ist sicherlich angestiegen. Viele Menschen wissen, was Alzheimer oder Demenz bedeutet. Wir brauchen aber eine Sensibilisierung dahin gehend, dass Demenz kein stigmatisierendes Thema mehr ist oder etwas, das man am liebsten von sich fernhalten möchte. Es ist wichtig, auf Ängste einzugehen und auf Menschen mit Demenz zuzugehen – und sie nicht aus unserer Gesellschaft auszugrenzen! 

Alzheimer Austria

Alzheimer Austria ist ein gemeinnütziger Verein von Menschen mit Demenz und Angehörigen an Demenz erkrankter Personen, sowie von Personen verschiedener Berufsgruppen, die sich mit dem Thema Demenz auseinandersetzen. Alzheimer Austria engagiert sich u.a. für die Rechte von dementiell erkrankten Menschen und deren Angehörigen und setzt sich für die Erhaltung der Würde dieses Personenkreises ein. Der Verein bietet Information, Beratung und Unterstützung für Erkrankte und Angehörige in ihren individuellen Lebenssituationen an.

Mehr auf alzheimer-selbsthilfe.at

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