Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie eine Arterienverkalkung (Arteriosklerose) sind die Todesursache Nummer eins in Österreich.* Im Interview erklärt Prim. Univ.-Prof. Dr. Martin Clodi, Vorstand der Abteilung Innere Medizin am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Linz und Präsident der Cholesterin Allianz, wie sich Cholesterin in Schach halten lässt, um das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) zu senken.

Prim. Univ.-Prof. Dr. Martin Clodi
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Vorstand der Abteilung für Innere Medizin, Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Linz, Präsident der Cholesterin Allianz, Pastpräsident der ÖDG
Wie wird Cholesterin zum Risiko für Gefäße?
Das Cholesterin wird über das Blut im gesamten Körper verteilt – überall dorthin, wo es gebraucht wird. Unter anderem lagert es sich als essenzieller Baustein für Zellmembranen ein. Bei einem gestörten Gleichgewicht der unter dem Oberbegriff Cholesterin zusammengefassten Blutfettpartikel HDL-Cholesterin, LDL-Cholesterin, Lipoprotein (a) sowie der Triglyceride kommt es zu einem Überschuss an LDL, da dieses vom HDL nicht mehr vollumfänglich zurück zur Leber transportiert und von dieser verstoffwechselt werden kann. Ein Teil des LDL lagert sich in den Gefäßwänden ab und verkalkt. Je höher der LDL-Wert ist, desto mehr lagert sich ab. Das ruft Entzündungsreaktionen hervor. Infolge der Entzündungen bilden sich sogenannte Plaques. Unter der daraus resultierenden Belastung verdicken sich die Gefäßwände. Im Weiteren kann dann schlimmstenfalls die Gefäßwand einreißen. Das wiederum ruft Wundheilungsmechanismen auf den Plan, die das Blut an Ort und Stelle gerinnen lassen. Sich dabei bildende Blutgerinnsel verengen das Gefäß an dieser Stelle und verschließen es schlimmstenfalls ganz. Herzinfarkt, Schlaganfall oder eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) sind zumeist die Folge – leider schlussendlich oft auch tödlich.
Was steckt hinter einem gestörten Cholesterinstoffwechsel?
Grundsätzlich ist der persönliche Cholesterinwert genetisch bedingt. Diese Vererbung ist komplex – an die 100 Gene sind daran beteiligt – und noch nicht vollständig erforscht. Die Cholesterinwerte nehmen im Verlauf des Lebens zu. Wobei Frauen lange vom „Östrogenschutz“ profitieren: Das weibliche Sexualhormon hält Cholesterin während der fruchtbaren Jahre in Schach. Nach den Wechseljahren mangelt es den Frauen allerdings an Östrogen, sodass ihr Cholesterin steigt.
Auch Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes mellitus oder Übergewicht beziehungsweise Adipositas können tödlich sein. In der Kombination mit einem hohen Cholesterinwert sind dies die „stillen Killer“ und zusammen noch lebensgefährlicher.
Manche Menschen haben genetisch bedingt noch höhere Cholesterinwerte (familiäre Hypercholesterinämie). Dies kann bereits in frühen Jahren lebensgefährlich sein. In diesem Fall findet sich meist eine familiäre Häufigkeit von atherosklerotischen Ereignissen.
Ganz wichtig zu wissen: Während sich das Risiko von zu viel LDL-Cholesterin inzwischen rumgesprochen hat – mit Recht nennt man es auch „schlechtes Cholesterin“ –, wird das ähnlich aggressive Lipoprotein (a) als Risikofaktor noch maximal unterschätzt. Dessen Wert bleibt ein Leben lang stabil hoch beziehungsweise niedrig und lässt sich bislang nicht behandeln. Ist er zu hoch, besteht schon für sich betrachtet ein großes gesundheitliches Risiko. Trifft der „isolierte Risikofaktor“ auf einen hohen LDL-Spiegel, steigt das Risiko umso mehr.
Wie lässt sich Cholesterin in Schach halten?
Das Wichtigste: „Kenne deine Zahlen!“ Lassen Sie alle relevanten Cholesterinwerte bestimmen und handeln Sie, wenn Handlungsbedarf besteht. Ein zu hoher LDL-Spiegel lässt sich mit Medikamenten gut senken. Diese Medikamente sollten lebenslang eingenommen werden, das hat sich bewährt. HDL dagegen lässt sich noch nicht medikamentös beeinflussen. Gewichtsreduktion und Bewegung lassen es steigen.
Anders als viele denken, ist der Einfluss der Ernährung auf LDL eher klein. Ähnliches gilt für Bewegung und Sport. Wer Cholesterinprobleme hat, kann damit meist nicht die nötige Senkung erreichen. Ziel ist ein Wert unter 115 Milligramm pro Deziliter (mg/dl) bei gesunden Menschen. Je nach weiteren Risikofaktoren sollte er deutlich darunter liegen. Kleiner 40 mg/dl, und das ein Leben lang, wäre am besten.
Was passiert mit Plaques bei Einnahme von Cholesterinsenkern?
Wir unterscheiden stabile und instabile Plaques. Letztere sind die unberechenbaren, die jederzeit in die Blutgefäße „platzen“ können. Mit sinkendem LDL-Spiegel verschwinden bestehende Plaques zwar nicht, aber sie werden stabil. Sie können die Gefäßwand also durchaus noch verdicken und damit den Durchmesser des Gefäßes verringern, aber es kommt weniger zu hochriskanten Blutgerinnseln und damit Gefäßverschlüssen als Ursache für Infarkt, Gehirnschlag und pAVK.
*www.statistik.at/fileadmin/announcement/2024/06/20240626Todesursachen2023.pdf